»Die urbane Architektur wird zu einer Bühne, auf der die Personen agieren. Das Licht ist hell und klar, und fast wirkt es, als ob es nur dafür geschaffen wurde, die ganze Szenerie dieser riesigen Bühne auf natürliche Weise perfekt auszuleuchten…«

Für Gudrun Kemsa ist die Welt ist eine Bühne, auf der nicht endende Aufführungen stattfinden. Zeit und Bewegung werden zu Konstanten. Zeit ist die Bedingung für Kemsas Fotografie. Das Spiel mit der flüchtigen Welt der Straße ihre Faszination. Sie beherrscht das Prinzip des Zu- und Miteinanders. Konzentriert beobachtet sie etwa die gegenüberliegende Straßenseite und wartet so lange, bis Menschen, die Kemsa nicht kennt, zueinander finden und ihr ein Bildmotiv liefern. Immer wieder begegnen uns in ihren Fotografien Menschen in Bewegung, die schnell oder langsam gehen, sich umdrehen, verharren, anderen begegnen und irgendwann etwa vor einer Ampel ihr Gehen einstellen, um sich kurze Zeit später wieder zu bewegen.

Mit »New York, New York« fokussiert die Fotografin Manhattan, symbolisiert durch die prächtige Fifth Avenue. Der buchstäblich schöne Schein, in Kombination mit der machtvollen Geometrie von Architekturgebäuden und dem Bewegungsimpuls der Vorbeiziehenden, gehören zum Alphabet der Künstlerin. Sie ist die Regisseurin, die uns eine Wirklichkeit nach ihrer Vorstellung präsentiert. Gebäude und Passanten existieren ohne Zweifel, Schmutzgegenstände jedoch beispielsweise, welche in diese sehr spezifische, aufgeräumte Welt nicht hineinpassen, werden von der Wahldüsseldorferin konsequent wegretuschiert.

 

Dieses Zusammenspiel des Schönen als Gegenstück zu Realität und Wahrheit bildet die Synthese von Kemsas Kunst: »Der schöne Schein übt eine ungemeine Faszination auf Menschen aus. Ohne diesen Schein gäbe es vermutlich keine Kunst, zumal keine im westlichen Sinne. Durch das 20. Jahrhundert hindurch wurde das Schöne immer wieder durch Hässlichkeit oder Zerstörung gebrochen. Auch in unserer Gegenwart steht Ästhetik, einst eine profunde Beschäftigung mit der Bedingung des Schönen, unter Generalverdacht. Das Schöne ist im Allgemeinen kein Leitmotiv des Schaffens mehr. Gudrun Kemsa kehrt diese Verdrehung mit der ihr eigenen Bildsprache um. Ihre Augenblicksrealität fasziniert«, so Museumsdirektor und Kunsthistoriker Tayfun Belgin im Vorwort des ab sofort erhältlichen Künstlerbuchs.